Ich bin geborener Nürnberger und bin bis heute viel dort. Speziell die Altstadt hat es mir angetan -
kein Wunder. Auch zum Christkindlesmarkt
habe ich ein spezielles Verhältnis. Hier ein paar Gedanken zu diesem internationalen Großereignis.
Die richtige Besuchszeit
Viele werden keine Alternative dazu haben, den Christkindlesmarkt am Wochenende zu besuchen.
Ein dringender Rat: Wenn es schon am Wochenende sein muss, dann planen sie Ihre Flucht zwischen 14 und
15 Uhr ein. Das Gedränge ist zwar nicht mehr so schlimm wie in meiner Kindheit – irgendwann muss da mal
eine Budenreihe oder zwei ausgelichtet worden sein und die Gänge sind leidlich breit. Aber wenn
erst mal die Busse ihre Landungen ausspucken, wird es ein wildes Geschiebe. Alternative: SO-DO ab 18 h oder
FR/SA ab 20 h
2012: Jetzt auch noch Bratwurstnotstand in Nürnberg!
Im Sommer 2012 war ich mal wieder in der Nürnberger Altstadt - de typische Gelegenheit, mir eine Portion
Nürnberger Bratwürste zu genehmigen. Das war dann mein letzter Besuch beim Bratwurströslein:
- Im Kleingedruckten der Karte steht der Lieferant der Brautwürste. Für den Eingeweihten ist das ein Alarmsignal:
Wie ich schon 2008 weiter unten schrieb, schlägt dann die deutsche Hackfleischverordnung zu und es gibt keine
Bratwürste mehr, sondern Brühwürste. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, sind Brühwürste recht
diffizil zu grillen und das schlug auch beim Verantwortlichen im Bratwurströslein voll zu: Die Hälfte meiner Würste
war angekohlt. Über den Geschmack schweige ich besser.
- Was ich als Kren (Meerettich) serviert bekam, war die absolute Zumutung, ein geschmackloses, wässriges Zeug, mit
Schnittlauch garniert.
Vermutlich habe ich den Bodensatz aus einem 5-kg-Eimer bekommen, der schon mehrere Tage offen in der Küche rumstand.
Meine Erwartungshaltung an dieser Stelle ist glasklar: Die müssen ihren Kren in der Küche laufend frisch reiben!
Qualitätsprüfung: Wenn man einen Bissen Bratwurst mit Kren im Mund hat und man atmet durch die Nase aus, dann
müssen einem die Tränen in die Augen schießen. So etwas gibt es nicht fertig zu kaufen, das muss man frisch reiben!
Mache ich daheim auch. Und so lernte ich das auch im Bratwurströslein kennen, als da noch die Baracke stand.
In den letzten Jahren noch nicht selber überprüft: Als einziger Ausweg in der Nähe des Hauptmarktes bleibt nur noch das
Bratwursthäusle an der Sebalduskirche. Auch mit Tucher-Bier :-((
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2010: Lebkuchennotstand auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt!
Bei meinem diesjährigen Besuch war ich maßlos enttäuscht: Es gibt keine wirklich guten Lebkuchen mehr zu
kaufen! Abgesehen vom Fraunholz, dessen Lebkuchen ohne Mehl mir schon immer zu mächtig waren, ist kaum einer
der einschlägigen Hersteller mehr vertreten.
Was man sonst als handwerklich hergestellte Lebkuchen
angeboten bekommt, ist in der Konsistenz zumeist irgendwas zwischen steinhart und kaugummiartig zäh – ich habe
wohl alle einschlägigen Stände durchprobiert. Der Geschmack
variiert gewöhnlich zwischen kaum vorhanden und modrig. Dafür stieg der Preis fast durchgängig von 1,50 EUR
auf 1,70 EUR pro Stück. Schließlich preisen einige Stände ihre Lebkuchen als täglich frisch gebacken an, was
natürlich Unfug ist: Ein Lebkuchen entwickelt sein Aroma erst beim Durchziehen so richtig – wie so manch anderes Weihnachtsgebäck eben auch.
Ein Lebkuchen ist schließlich keine Laugenbrezel.
Meine Empfehlung: Witte und Ray (s.u.) nennt sich jetzt Witte Spezialitäten und hat eine Verkaufsstelle
in der Spitalgasse 4 (links neben der Spitalapotheke am Heilig-Geist-Spital). Wenn Sie außerhalb der Öffnungszeiten
unbedingt Lebkuchen haben wollen, dann probieren Sie die Elisenlebkuchen von Eis-Müller (südöstliche Ecke des
Marktes): geschmacklich recht gut, von der Konsistenz aber gewöhnungsbedürftig hart.
Der restliche Text stammt aus dem Jahr 2008 – in der Hoffnung, dass die alten Zeiten hier wiederkehren.
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Eine Traditionsveranstaltung
Der große Unterschied des Nürnberger Christkindlesmarktes zu vielen anderen Veranstaltungen? Es gibt eben
keine großen Neuerungen. Abgesehen von den vielleicht zwei Buden, die Tonträger verkaufen, hat keiner der
Händler irgendwelche Weihnachtsmusik laufen. An einigen Ständen hört man Spieluhren und die Bratwurstverkäufer
preisen ihre Waren an. Aber die musikaische Untermalung kommt live von der Bühne vor der Frauenkirche –
Posaunenchöre und ähnliche Musikgruppen aus der näheren und weiteren Umgebung sorgen für die Untermalung.
Wenigstens im Kernbereich auf dem Hauptmarkt bekommt kein Anbieter eine Extrawurst gebraten. Auch die ganz großen
Anbieter müssen sich mit den gleichen Buden bescheiden wie die Familienbetriebe – höchstens dass sie etwas breiter sind.
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Was Sie nicht tun sollten
Kaufen Sie keine Bratwürste auf dem Markt
Die Begründung ist ganz einfach bürokratisch: Es gibt in Deutschland eine Hackfleischverordnung.
Die verbietet Gewerbetreibenden, rohes Hackfleisch über Grundstücksgrenzen hinweg zu transportieren.
Nur Thüringen hat sich für seine Bratwürste bei der Wiedervereinigung eine Ausnahme genehmingen lassen,
denn sonst hätte es dort einen Volksaufstand gegeben. Und die Thüringer wissen, warum.
Deshalb bekommen Sie auf dem Christkindlesmarkt, so wie fast überall, keine Bratwürste, sondern nachträglich
auf den Grill gelegte Brühwürste – erkenntlich an der weißen Farbe der "rohen" Würste. Der Ausweg
ist einfach: Holen Sie sich Ihre "Drei in am Weggla" beim Behringer ("Bratwursthäusle" neben der Sebalduskirche).
Die haben ihre eigene Metzgerei im Haus und können deshalb echte Bratwürste machen. Das Bratwurströslein hat seine
Metzgerei am Obstmarkt schon lange geschlossen und dort seine Gasträume erweitert. Der externe Bratwurstlieferant
steht im Kleingedruckten der Speisekarte.
Kaufen Sie keine Fabrik-Lebkuchen
Mittlerweile bekommen Sie Original Nürnberger Lebkuchen fast rund ums Jahr und auch bei Ihrem
Lebensmittel-Discounter. Mag ja sein, dass Ihnen diese Backwaren schmecken. Aber hier auf dem
Christkindlesmarkt können Sie meinem Geschmack nach bedeutend Besseres finden – siehe unten.
Und warum sollten Sie Produkte in der Gegend rumschleifen, die Sie daheim genau so gut und vermutlich
billiger bekommen?
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Fabrik-Lebkuchen: Sehen aus wie beim Discounter, schmecken wie vom Discounter: Ist die gleiche Ware.
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Was ich am Christkindlesmarkt mache
Ganz klar: Ab dem ersten Advent-Wochenende bin ich mehr als einmal am Christkindlesmarkt.
Wenn sie meiner Empfehlung wegen der Besuchszeiten folgen, bekommen Sie Punkt 12 Uhr das
Männleinlaufen
über der Empore der Frauenkriche mit: Die sieben Kurfürsten huldigen Kaiser Karl IV. Nach heutigen Begriffen
ist das nichts Spektakuläres, zu seiner Zeit war das etwas ganz anderes und hoch politisch dazu: Kaiser Karl
war einerseits der einzige Chef der Freien Reichsstadt Nürnberg. Andererseits war er, in seiner
Funktion als böhmischer König, ihr erbitterter Feind. Ehe sich Bayern die Oberpfalz einverleibte, lag die
böhmische Grenze direkt vor den Toren Nürnbergs.
Glühwein trinken
Diese Aktivität brauche ich wohl nicht weiter zu erläutern. Der Glühwein ergänzt sich auch gut mit den Lebkuchen.
Lebkuchen verkosten
In einer ganzen Reihe von
Buden sehen Sie Lebkuchen offen in großen Stapeln oder in einfachen Plastiktüten. Diese Lebkuchen stammen
von Handwerksbetrieben, die in erster Linie gute Lebkuchen machen wollen. Sie zahlen hier für den einzelnen
Elisenlebkuchen zwischen 1,30 EUR und 1,80 EUR, für das XXL-Format auch noch wesentlich mehr.
Meiner Erfahrung nach ist klar, warum die einen so billig sind – ganz offensichtlich wurde an den Zutaten gespart.
Dagegen konnte ich nicht feststellen, dass die ganz teueren Lebkuchen wirklich besser wären.
Ja, 1,50 EUR für einen einzelnen Lebkuchen ist Geld. Dafür bekommen Sie beim Discounter zwei Pakete Lebkuchen.
Aber kaufen Sie sich mal einen einzelnen Elisenlebkuchen bei einem dieser Händler. Anschließend wissen Sie, warum...
Mein erster Besuch auf dem Christkindlesmarkt läuft traditionell so ab, dass ich von jedem dieser handwerklichen
Hersteller einen Elisenlebkuchen kaufe. Meist bringe ich mir 1-2 Helfer mit, denn 10 dieser Lebkuchen schaffe ich
beim besten Willen nicht. Wo sie mir in diesem Jahr am besten schmecken, da kaufe ich dann für bald 100 EUR ein.
Im Jahr 2008 bin ich übrigens bei den Lebkuchen von Witte & Ray gelandet: Locker aber gehaltvoll, mit angenehmem Nachgeschmack beim ausgibigen Kauen.
Bei meinem gegenwärtigen Kunden bekam ich für ein Paket gleich mehrere leuchtende Männergesichter zu sehen.
Einige Hersteller bieten auch Lebkuchen ohne Mehl an. Der Fraunholz hat sich ganz darauf spezialisiert.
Mir schmecken die aber nicht, weil zu schwer und gehaltvoll. Aber probieren Sie das einfach mal aus.
Die Stimmung genießen
Bei kaum einem anderen Weihnachtsmarkt geht es so ruhig zu wie hier. Dafür sorgt nicht nur die Stadt
Nürnberg mit ihrem Musikverbot. Dafür sorgt auch, dass im Kernbereich des Marktes nur ein einheitlicher Budentyp
existiert. So weit ich weiß, gehören diese Buden der Stadt.
Auch bleibt der Kommerz begrenzt. Manche Stände sind schon seit Generationen in der Hand der gleichen Familie.
Typisches Beispiel sind die Zwetschgenmännla, ein mehr oder weniger sinnfreies Andenken. Aber anscheinend
sind die bei manchen in ihrer Absurdität Kult. Die Wohlfahrtsverbände haben ihre traditionelle Losbude
an der Westseite des Hauptmarkts und die Altstadtfreunde sind mit einer bescheidenen Bude vertreten. Leider tun
sie sich meiner Meinung nach keinen großen Gefallen, indem sie Bastelbögen und anderes, wenig Spezielles verkaufen.
Dieser höchst verdienstvolle Verein hat in den letzten Jahrzehnten so manches mittelalterliche Haus gerettet
und noch viel mehr.
Bringen Sie zwei Stunden mit. Tauchen Sie ein in eine Stimmung, die eine Menge Nostalgie ausströmt.
Genießen Sie den für mich schönsten Weihnachtsmarkt. Aber lassen sie sich nicht täuschen: Nürnberg ist seit dem
Mittelalter eine High-Tech-Stadt. Auch die Lebkuchen haben so eine Tradition: Die Gewürze dafür kamen
aus dem Orient über die alten Handelswege. Den Honig, das einzige Süßungsmittel damals, lieferten die Wälder
rund um Nürnberg. Und für den Vertrieb waren wieder die einheimischen Handelsherren zuständig.
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Handwerklich hergestellte Lebkuchen: Kaufen Sie sich erst mal einen zum gleich Essen.
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