In alten Zeiten konnte man bei seinem Arbeitgeber öfter mal einen alten Rechner abstauben –
für umsonst oder ein paar DM. Diese Zeiten sind u.a. deshalb vorbei, weil kommerzielle Verkäufer die Gewährleistung
gegenüber privaten Käufern nicht mehr ausschließen können. Ehe Firmen also Ärger mit mehr oder weniger verschenkten
Rechnern riskieren, werden die Kisten verschrottet - oder an entsprechende Dienstleister abgegeben. Das hat letztlich
auch für die Käufer gebrauchter Rechner Vorteile.
Die IT-Welt hat sich auch in sofern geändert, als Rechner nicht mehr einzeln beschafft werden, sondern oft in größeren Mengen.
Das ergibt sich nicht nur daraus, dass ein Büroarbeitsplatz ohne PC kaum noch denkbar ist. Zudem werden solch große
Installationen bewusst möglichst einheitlich bestückt, um die Wartung und Betreuung zu vereinfachen. Es ist sicher sinnvoll,
die Windows-Updates nachts automatisch auf 10.000 Rechner parallel einzuspielen - womöglich für den ganzen Konzern in einer
einzigen Aktion.
Entsprechend fallen dann mal schnell 5.000 gebrauchte Rechner an. Das Ende von Windows XP war einer der Anlässe für
solche Aktionen. Das ist das Futter für einschlägige Dienstleister, die diese Rechner in einem arbeitsteiligen Prozess erst
mal löschen, prüfen, reinigen und neu herrichten.
Diese Branche wird auch noch von Microsoft unterstützt, die diesen Firmen Windows-Lizenzen zu stark verbilligten Preisen
verkauft. Microsoft kann so für viele Rechner eine zweite Windows-Lizenz verkaufen und die Aufbereiter können manche Rechner
für beipsielsweisee 120 EUR verkaufen, obwohl eine Windows-8.1-Lizenz im Laden alleine schon an die 100 EUR kostet.
Was lohnt - und was nicht?
Sicher nicht mehr lohnt, einen 10 Jahre alten XP-Rechner auf eine neuere Windows-Version aufzurüsten. Im Minimum kann man
Peripherie wie die Soundkarte nicht mehr zum Leben erwecken, weil es keine aktuellen Treiber dafür gibt. Relativ wenig stört,
wenn es keinen Videotreiber mehr gibt: Jede Grafikkarte muss sich auch in einer Primitiv-Betriebsart betreiben lassen,
damit man Windows oder andere Betriebssysteme überhaupt installieren kann. Wer nur etwas surfen und seine Mails bearbeiten
will, wird den entsprechenden Geschwindigkeitsverlust kaum merken - außer er treibt sich häufig bei Youtube rum und will die
Videos formatfüllend sehen.
Genau so wenig lohnt der Kauf eines drei Jahre alten Notebooks ohne spezielle Merkmale. Ein Notebook, das obige Aufgaben
problemlos meistert, einen 15-Zoll-Bildschirm hat und mit einer Batterieladung 3-4 h durchhält, gibt es neu für unter 300 EUR
zu kaufen. Ein vergleichbares Gebraucht-Notebook kostet auch wenigstens 200 EUR, dafür ist zumindest die Batterie schon
ziemlich angeschlagen und die Festplatte ziemlich klein. Ein neuer Akku lässt die Preisdifferenz nochmals schrumpfen.
Anders sieht es aus, wenn man als Außendienstler einen leistungsfähigen Rechner mit hellem, fein aufgelöstem 11-Zoll-Bildschirm
und eingebauten Mobilfunk-Modem sucht. So ein Gerät kostet neu leicht einen vierstelligen Betrag. Auch wegen der Robustheit
solcher Systeme kann man für einen gebrauchten Rechner dieser Größenordnung auch 500 EUR oder so ausgeben.
Bei stationären Rechnern für die genannten Routineaufgaben kann man gut einen dieser aufgearbeiteten Rechner für 200 EUR oder
so kaufen. Das hat sogar spezielle Vorteile: Nur solche Rechner gibt es noch mit Windows 7, was den Kulturschock der
Kacheloberfläche von Windows 8 erspart. Auch gibt es dort noch alte Schnittstellen wie einen VGA-Anschluss. Wer mit seinem
alten Monitor noch völlig zufrieden ist, kann ihn also weiter benutzen, denn heutige Rechner haben in aller Regel einen rein
digitalen Grafikausgang wie DVI oder HDMI.
Auch wer mehr Leistung braucht, kann sich gut einen gebrauchten Rechner unter den Schreibtisch stellen: Für 800 EUR bekommt man
wirklich edle Hardware, die auch nach heutigen Maßstäben ordentliche Leistung hat. Als Spielerechner eignen die sich allerdings
in der Regel weniger, weil Grafikkarten für professionelle Zwecke anders aussehen.
Windows 7, 8.1 oder sonst was?
Microsoft hat den freien Verkauf von Windows 7 mittlerweile eingestellt. Aber die Aufbereiter bekommen noch Lizenzen,
weshalb es auch noch aufbereitete Rechner mit Windows 7 gibt. Man sollte allerdings wissen, dass Microsoft Windows 7 nur noch
begrenzt pflegt: Neue Eigenschaften wird es dafür nicht mehr geben. Für die nächsten fünf Jahre gibt es aber noch
Sicherheits-Updates. In fünf Jahren ist man mit einem Windows-7-Rechner so weit wie letztes Jahr mit einem XP-Rechner.
Es soll aber einen Ausweg geben - siehe unten.
Die aktuelle Windows-Version ist 8.1. Nach den heftigen Benutzerklagen bei Windows 8 ist Microsoft ein Stück zurückgerudert.
Der Kulturschock ist bei 8.1 also geringer als bei 8. Wenn man sich jetzt umgewöhnt, hat man für das nächste Jahrzehnt
erst mal Ruhe.
Microsoft hat beschlossen, Windows 9 zu überspringen - wohl wegen der Ähnlichkeit mit Windows 95 und Windows 98.
Kommendes Jahr soll es also Windows 10 geben. Dort will Microsoft das Geschäftsmodell völlig umstellen: Eine Basisversion
soll es mehr oder weniger kostenlos geben, um den Linux-Distributionen (siehe unten) den Markt nicht kampflos zu überlassen.
Aber diverse wesentliche Erweiterungen werden dann richtig Geld kosten.
Zudem will man den bisherigen Update-Weg mit Service-Packs und neuen Windows-Versionen aufgeben, Statt dessen will Microsoft
das Betriebssystem regelmäßig mit neuen Eigenschaften versehen.
Ich sehe schon, wie die IT-Verantwortlichen in den Firmen schon allein durch diese Ankündigung graue Haare bekommen:
Sie können sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Rechnerbasis in ihrem Verantwortungsbereich über längere Zeit
konstant bleibt. Ich weiß, dass gerade in speziellen Nischen bis heute Windows-Versionen aus dem letzten Jahrtausend laufen,
weil bestimmte Programme nichts Neueres vertragen. Die Programmierer dieser Programme sind längst im Ruhestand und sonst
könnte sowieso niemand diese Programme pflegen.
Ohne Windows weiterleben
Die Alternative zu Windows sind alternative Betriebssysteme, vor allem Linux. Linux und andere Unix-Ableitungen gibt es meist
kostenlos als Distributionen. Diese Distributionen, z.B. Ubuntu, kann man als Images herunterladen. So ein
Image ist mehrere GB große Datei, mit deren Hilfe ein Brennprogramm eine bootfähige DVD erzeugen kann. Vergleichbare Programme
kopieren die Distribution auch auf einen USB-Stick. Die nötigen Informationen gibt es da, wo man die Distributionen
herunterladen kann.
Von dieser DVD oder diesem USB-Stick startet man dann den Rechner. In aller Regel landet an erst mal in einem
Live-System: Die Festplatte wird nicht verändert, das Betriebssystem holt ich alle Informationen von DVD oder USB-Stick.
Das bremst zwar kräftig, aber man kann die Distribution mal ausprobieren: Funktioniert alles, auch der Drucker,
unter dieser Distribution? Kommt man mit der Oberfläche klar? Kann man alle seine alten Daten mit den Benutzerprogrammen
der Distribution öffnen? Ganz wichtig: Kann man unter der Distribution auf externe Festplatten zugreifen?
Wenn dieser Test positiv verläuft, sollte man seine Daten sichern und dann die Distribution auf der Festplatte installieren.
Sicherheitshalber sollte man in ziemlich alten Rechnern nachsehen, ob die Festplatte mit einem mehrere cm breiten
Flachbandkabel angeschlossen ist. In diesem Fall gibt es nur einen sinnvollen Rat: Den alten Rechner verschrotten.
Eine empfehlenswerte Methode der Datensicherung ist, sich eine neue Festplatte und ein externes Gehäuse für die alte Festplatte
zu kaufen. Bei stationären Rechnern gibt es auch die Möglichkeit, eine externe Festplatte im 3,5-Zoll-Format zu kaufen und die
Laufwerke zwischen externem Gehäuse und Rechner auszutauschen. Dafür braucht man nicht mehr als einen
Kreuzschlitz-Schraubendreher.
Bei Notebooks und anderen sehr kompakten Rechnern geht das nicht so einfach, weil die externen Gehäuse von 2,5-Zoll-Laufwerken
in aller Regel verklebt sind. Die kriegt man ohne Zerstören des Gehäuses nicht auf. Also muss man ein passendes externes
Gehäuse und ein Laufwerk getrennt kaufen.
Nach Datensicherung bzw. Plattentausch kann man die Distribution von DVD oder USB-Stick installieren. So lange das Live-System
gut lief und man sich an die Voreinstellungen hält, kann da nicht viel schief gehen. Anders als bei Windows muss man in aller
Regel keine Programme mehr kaufen: Eine Grundausstattung mit E-Mail-Client, Büropaket und Webbrowser gehört zu praktisch jeder
Distribution. Meist ist auch ein "Packet-Manager" dabei, mit dessen Hilfe man weitere Programme auswählen, herunterladen und
installieren kann.
Hat man unter Windows schon mit Open-Source-Programmen wie Open Office oder Firefox gearbeitet, kann man seine alten
Konfigurationsdateien unter Linux weiter benutzen. Entsprechende Informationen kann man leicht ergoogeln. Meist muss man einen
bestimmten Unterverzeichnisbaum mit einem bestimmten Namen ins Home-Verzeichnis kopieren. Unter Linux fangen diese
Verzeichnisnamen mit einem Punkt an. Das entspricht dem Versteckt-Attribut unter Windows. Auch hier gibt es im
Explorer eine Option, die versteckten Dateien und Verzeichnisse anzuzeigen.
Rechner aufklopfen
Wenn der Rechner leistungsfähig genug ist und man eine 64-Bit-Variante des Betriebssystems installiert hat, kann man seinen
Rechner sogar mit mehreren Betriebssystemen gleichzeitig betreiben. Dafür sollte man aber eine leistungsfähige CPU mit mehreren
Rechnerkernen und möglichst 8 GB RAM im Rechner haben. Das 64-Bit-Betriebssystem braucht man vor allem, um mehr als 3 GB RAM
nutzen zu können.
Das funktioniert weil es Programme wie Oracle Virtual Box gibt, die sich nach außen wie ein normales Anwendungsprogramm
verhalten und nach innen wie Rechner-Hardware aussehen. Im Programmfenster dieser Programme kann man also z.B.
beliebige Windows-Versionen installieren und auch die entsprechenden Anwendungsprogramme. Das Windows-Verzeichnis
Eigene Dateien kann man auf einen Unterverzeichnisbaum der Festplatte mappen. Selbst die Zwischenablage
funktioniert bei Bedarf zwischen Gastgeber und Gast. Wer so Windows XP weiter betrieben will, sollte sich aber
den Netzwerkzugang des Gastes genau überlegen.
Auf diesem Weg betreibe ich noch einige Windows-Programme, obwohl auf meinem Arbeitsrechner Ubuntu installiert ist.
So kann man auch sanft umsteigen, bis man sich mit den Linux-Programmen vertraut gemacht hat.
Oft ist es allerdings oft nicht möglich, eine alte Windows-Lizenz zu virtualisieren: Mit Rechnern ausgelieferte
Windows-Lizenzen müssen die Rechnerhersteller mit der Hardware verdongeln. Zwar kann man Images aktueller
Windows-Versionen einfach von der Microsoft-Website herunterladen. Aber über eine Probezeit hinaus kann man sie nur noch
einer nach Microsoft-Regeln gültigen Lizenznummer betreiben. Die Informationen des alten Lizenzaufklebers werden da
oft nicht akzeptiert.
So habe ich die absurde Situation, dass ich die Windows-7-Lizenz, die ich mit meinem Arbeitsrechner kaufte, auf genau diesem
Rechner nicht nutzen kann: Ich will sie nicht als Gastgeber einsetzen und als Gast spielt Microsoft nicht mit.
Das ist übrigens keine Marotte von mir: Ich bin, auch aus Sicherheitsgründen, für den Großteil meiner Arbeiten auf Linux
umgestiegen. Windows nutze ich nur noch für den kleinen Rest.
Wo gibt es diese Rechner?
Die Zahl der Aufbereiter ist übersichtlich. Schließlich können auch sie nur wirtschaftlich arbeiten, wenn sie größere
Mengen ähnlicher Systeme am Fließband von gering qualifiziertem Personal aufbereiten lassen. Hier gibt es sogar
viele Behinderten-Arbeitsplätze, etwa zum Reinigen der Systeme. Hier eine Liste aus [1]:
Rechner
Drucker
Literatur:
- [1] Wölbert, C.: Gebraucht, aber sexy. Second-Hand-IT wird salonfähig.
- In: c't 6/2015, S. 78ff
|